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E-Bike-Boom lässt Unfallzahlen weiter steigen

AXA Crashtests 2018 (Bildquelle: AXA / Melanie Duchene)

Mit Motor unterm Sattel fährt sich's gleich leichter den Berg hinauf. Der E-Bike-Trend hat aber seine Kehrseite.

E-Bikes boomen in der Schweiz bereits seit einigen Jahren. Jetzt, wo der Frühling naht, dürften die Verkaufszahlen erneut ansteigen. Und die Klientel wächst: Während E-Bikes früher vor allem bei älteren Personen beliebt waren, nutzen heute auch immer mehr jüngere Personen das E-Bike regelmässig für ihren Arbeitsweg. Gemäss einer Umfrage der AXA von 2018 nutzt fast die Hälfte der befragten E-Bike-Nutzer ihr motorunterstütztes Zweirad für den Weg zur Arbeit.

Mit der zunehmenden Verbreitung hat auch die Zahl der Unfälle mit E-Bikes stetig zugenommen. "Bei keinem anderen Fortbewegungsmittel verzeichnen wir eine derart steigende Anzahl an Unfällen von Jahr zu Jahr wie bei den E-Bikes", sagt Bettina Zahnd, Leiterin Unfallforschung & Prävention bei der AXA. Allein 2017 zählte die Polizei 820 verunfallte E-Bike-Fahrer auf Schweizer Strassen, wovon 589 leicht und 224 schwer verletzt wurden. Sieben E-Bike-Fahrer kamen gar ums Leben (ASTRA).

Schwerer und schneller

Gemäss Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) ist die Unfallfrequenz mit schweren oder tödlichen Verletzungsfolgen bei E-Bike-Fahrern mit 84 Unfällen pro 100 Millionen gefahrenen Kilometern mehr als doppelt so hoch wie bei Fahrradfahrern mit 38 Unfällen pro 100 Millionen Kilometern. "Der Hauptunterschied liegt darin, dass E-Bikes schwerer und schneller sind. E-Bikes gleichen optisch zwar Fahrrädern, sind aber letzten Endes halt doch als Kleinmotorfahrräder oder Motorfahrräder zu betrachten. Entsprechend benötigen die Fahrer auch mehr Übung", sagt Bettina Zahnd. Besonders gross ist der Geschwindigkeitsunterschied zwischen Velos und E-Bikes beim bergauf fahren: Dort sind die motorisierten Zweiräder fast doppelt so schnell unterwegs wie herkömmliche Velos.

Eine genauere Analyse der Unfallzahlen zwischen 2012 und 2016 zeigt, dass E-Bike-Fahrer häufig alleine verunfallen – also ohne Kollision mit einem Auto oder anderen Verkehrsteilnehmern. Je nach Art des E-Bikes liegt die Zahl dieser Selbstunfälle gemäss Angaben der Polizei zwischen 42 und 49 Prozent. "In der Realität dürfte diese Zahl noch höher liegen, da bei Selbstunfällen die Polizei oftmals gar nicht aufgeboten wird, sondern der Verunfallte selber den nächsten Arzt oder ein Spital aufsucht", sagt Bettina Zahnd.

Geschwindigkeit wird oft unterschätzt

Kommt es zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, ist gemäss Angaben der Polizei in 60 Prozent der Fälle der Unfallgegner der alleinige Unfallverursacher. Das heisst: Bei Kollisionen sind E-Bike-Fahrer häufiger das Opfer – und nicht der Verursacher des Unfalls. Einen Grund sieht Bettina Zahnd darin, dass unter anderem Autofahrer die Geschwindigkeit der E-Bikes oftmals unterschätzen.

In einer 2018 durchgeführten Studie der AXA gaben mehr als 50 Prozent der befragten E-Bike-Fahrer an, dass andere Verkehrsteilnehmer ihre Geschwindigkeit nicht richtig einschätzen können. "Autofahrer müssen sich daran gewöhnen, dass Fahrrad nicht gleich Fahrrad ist", sagt Bettina Zahnd. Zudem sei es im Hinblick auf die zunehmende Verbreitung von Shared-E-Bikes in den Städten wichtig, auch die – teils ungeübten – E-Bike-Fahrer zu sensibilisieren.

Der Helm kann Leben retten

"Oft ist sich ein E-Bike-Fahrer selbst gar nicht bewusst, wie schnell er unterwegs ist. Wir empfehlen daher die standardmässige Installation von Tachos an E-Bikes, insbesondere bei den schnellen Modellen bis 45 km/h", so Zahnd. Zudem empfiehlt die Unfallforscherin allen E-Bike-Fahrern, einen Helm zu tragen. "Vergleicht man die Helmtragequote von verletzten und getöteten E-Bike-Fahrern fällt auf, dass von den tödlich Verunfallten nur gerade jeder Dritte einen Helm getragen hat. Bei den Verletzten waren es hingegen fast zwei Drittel. Ein Hinweis darauf, dass der Helm tödliche Verletzungen in der Regel verhindern kann", sagt Bettina Zahnd. Heute müssen nur Fahrer eines schnellen E-Bikes bis 45 km/h obligatorisch einen Helm tragen. Die Mehrheit der verkauften E-Bikes sind jedoch langsame Modelle bis 25 km/h, und für sie gilt gar keine Helmpflicht.

Trotz steigender Beliebtheit der E-Bikes seit 2006 wurde das Helmobligatorium für schnelle Modelle in der Schweiz relativ spät eingeführt, nämlich 2012. Bereits 2010 machte die AXA Unfallforschung mit ihren Crashtests auf die steigenden Unfallzahlen mit E-Bikes aufmerksam und forderte ein Helmobligatorium.

AXA fordert Verbesserung der Zweirad-Infrastruktur

Da E-Bikes schneller unterwegs sind als herkömmliche Fahrräder, kommt es auch immer öfter zu Überholmanövern zwischen unterschiedlich schnellen Zweirädern. Allerdings fehlt dafür oft der Platz, insbesondere in den Städten. Wie riskant ein solches Manöver sein kann, veranschaulichte die AXA Unfallforschung 2018 in einem weiteren Crashversuch ((Link auf MM Crashtests 2018)). Dabei überholte ein Cargo E-Bike mit 45 km/h ein herkömmliches Fahrrad und kollidierte frontal mit einem entgegenkommenden Personenwagen. Für den E-Bike-Fahrer hätte ein solcher Zusammenstoss schwere bis tödliche Verletzungen zur Folge.

Die AXA fordert daher ein Überdenken der Zweiradinfrastruktur, insbesondere in den Städten: Separate, von der Strasse und von Fusswegen abgetrennte Fahrspuren für Fahrräder, E-Bikes und andere Ein- bis Zweiräder sowie breitere Fahrstreifen, so dass schnelle E-Bikes langsamere Zweiräder überholen können.

Zwei Typen von E-Bikes

In der Schweiz werden zwei Typen unterschieden: langsame und schnelle E-Bikes. Für sie gelten jeweils unterschiedliche Regeln:

Langsame E-Bikes bis 25 km/h

Langsame E-Bikes sind Kleinmotorfahrzeuge, werden rechtlich aber den Fahrrädern gleichgestellt. Das heisst: Diese E-Bikes haben sich wie Velofahrer an die Radwege zu halten und allfällige Mofa-Verbote gelten für sie nicht. Sie benötigen keinen Fahrzeugausweis und die Fahrer müssen ab 16 Jahren keinen Führerausweis besitzen. Unter 16 Jahren ist die Kategorie M (Mofas) erforderlich, das generelle Mindestalter liegt bei 14 Jahren. Ein Helm wird dringend empfohlen, ist aber nicht obligatorisch. Schäden an Dritten übernimmt die private Haftpflichtversicherung.

Schnelle E-Bikes bis 45 km/h

Schnelle E-Bikes unterstützen den Fahrer bis zu 45 km/h. Sie benötigen eine separate Haftpflichtversicherung und müssen mit einem Kontrollschild mit gültiger Versicherungsvignette ausgestattet sein. Wie bei Mofas mit Verbrennungsmotor benötigen die Fahrer einen Führerausweis der Kategorie M und es ist ein Fahrzeugausweis erforderlich. Sie müssen ebenfalls die Radwege benützen, bei Mofa-Verbot ist eine Durchfahrt aber nur mit ausgeschaltetem Motor erlaubt. Im Gegensatz zu den langsamen E-Bikes ist für Fahrer der schnellen E-Bikes ein Helm obligatorisch – allerdings genügt in der Schweiz ein Fahrradhelm.

Tipps für E-Bike-Fahrer der AXA Unfallforschung & Prävention