Ärzte geben unnötige Operationen zu

(Bildquelle: infoticker)

Flecken auf dem Weisskittel: Jeder fünfte OP-Arzt und Pfleger räumt bei einer Umfrage ein, dass in seinem Spital Patienten unnötig unters Messer kommen. Zudem zeigen Daten des Bundes erstmals: Lukrative Operationen haben stark zugenommen - bis zu 96 Prozent.Die Spitalkosten treiben die...

Flecken auf dem Weisskittel:  Jeder fünfte OP-Arzt und Pfleger räumt bei einer Umfrage ein, dass in seinem Spital Patienten unnötig unters Messer kommen.  Zudem zeigen Daten des Bundes erstmals: Lukrative Operationen haben stark zugenommen - bis zu 96 Prozent.

Die Spitalkosten treiben die Ausgaben im Schweizer Gesundheitssystem seit Jahren nach oben. Jetzt bestätigten erstmals Schweizer OP-Fachleute in einer Studie, dass viele Operationen medizinisch unnötig sind. Dazu hatte "Dr-ouwerkerk - just medical" im Auftrag von comparis.ch 350 Ärzte und Pflegekräfte aus dem OP-Bereich befragt.

Massiver Anstieg bei Prothesen

Bei den Ärzten sind es 18 Prozent und damit fast jeder Fünfte, der das "Gefühl hat, dass manche Operationen aus medizinischer Sicht nicht notwendig gewesen wären". Bei den Pflegern bejahen 24 Prozent diese Aussage, also knapp jeder Vierte.

Zudem zeigen Zahlen des Bundesamtes für Statistik: Vor allem Operationen, mit denen sich viel Geld verdienen lässt, haben zwischen 2003 und 2012 massiv zugenommen.


Erst im vergangenen Jahr hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer internationalen Studie gezeigt: In den meisten anderen Industrienationen wird weniger operiert als in der Schweiz. Die hohen Operationszahlen seien "oft von anderen Faktoren getrieben als von Patientenbedürfnissen".

Chirurgen-Verband: "Man macht den Patienten kränker"

Selbst Ärzteverbände haben diese OP-Inflation in den vergangenen anderthalb Jahren wiederholt kritisiert. So sagte 2013 der damalige Präsident des Schweizerischen Orthopäden-Verbands "swiss orthopaedics", Bernhard Christen, in einem Interview mit der "NZZ": "Es ist nicht abzustreiten, dass manchmal zu rasch eine Operation empfohlen wird."Aus wirtschaftlichen Gründen sei es "nur logisch, dass die Operationen auch in der Schweiz zunehmen werden".

Noch deutlichere Worte fand der damalige Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Chirurgie (SGC), Ralph Alexander Schmid: "Man macht den Patienten kränker, als er ist, um Leistungen zu generieren."

Versicherte zahlen OP-Inflation


Felix Schneuwly, Krankenkassen-Experte von comparis.ch, sagt: "Auf der einen Seite werden Menschen ohne hinreichende medizinische Evidenz operiert. Auf der anderen Seite beklagen Gesundheitsfachleute und –politiker Ärztemangel und Pflegenotstand. Offensichtlich wird mit den menschlichen und finanziellen Ressourcen im Gesundheitswesen nicht haushälterisch umgegangen. Das ist besonders brisant aufgrund der Tatsache, dass die Spitalkosten massgeblich verantwortlich sind für die steigenden Ausgaben im Gesundheitssystem.

Die OP-Inflation geht letztlich zu Lasten der Prämienzahler, weil diese nämlich die medizinisch unnötigen Eingriffe mit ihren steigenden Prämien in der obligatorischen Krankenversicherung bezahlen müssen."

Tipp für Patienten

Holen Sie sich eine Zweitmeinung ein, bevor sie einer Operation zustimmen. Die Krankenkassen bezahlen diese. Ärzte, die eine solche Zweitmeinung formulieren, sollten nicht wissen, wer die Erstmeinung verfasst hat.