Zürich

Zoo Zürich – Neuer Giraffenbulle Obi sorgt für frischen Wind in der Lewa Savanne

Während die «Beulen»/Exostosen typisch sind für männliche Giraffen, gibt es die «Hörner»/Ossikone bei beiden Geschlechtern
Während die «Beulen»/Exostosen typisch sind für männliche Giraffen, gibt es die «Hörner»/Ossikone bei beiden Geschlechtern (Bildquelle: Zoo Zürich, Enzo Franchini)

Seit Ende September lebt erstmals ein Giraffenbulle in der Lewa Savanne des Zoo Zürich. Der achtjährige Obi soll zusammen mit drei Weibchen für Nachwuchs sorgen und so zum Erhalt der stark bedrohten Netzgiraffen beitragen.

Seit Ende September durchstreift zum ersten Mal ein Giraffenbulle die Lewa Savanne. Weil er mit einem der bereits im Zoo Zürich lebenden Weibchen nah verwandt ist, wird dieses den Zoo demnächst verlassen. Der Bulle und die drei verbliebenen Weibchen sollen künftig für Nachwuchs sorgen und so im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) zum Erhalt der stark bedrohten Netzgiraffen beitragen.

Durch Grösse und Aussehen sticht der neue Giraffenbulle auf den ersten Blick heraus. Obi, so sein Name, ist acht Jahre alt, hat zahlreiche – für Männchen typische – Knubbel am Kopf und überragt die weiblichen Giraffen seiner Herde um etwa eine halbe Kopflänge. Ende August war er aus dem Tiergarten Schönbrunn in Wien per Spezialtransport in die Schweiz gereist. Nach einer vierwöchigen Quarantäne ist sein neues Zuhause nun die Lewa Savanne im Zoo Zürich.

«Bereits seit vier Jahren warten wir auf die Zuteilung eines Giraffenbullen durch das EEP. Jetzt hat es geklappt, der Bulle ist da und wir freuen uns, dass wir uns nun hoffentlich erfolgreich an der Zucht der stark bedrohten Netzgiraffen beteiligen können», erklärt Zoodirektor Severin Dressen.

Obi (r.) soll mit Luna und den anderen Giraffenweibchen für Nachwuchs sorgen und damit zur Erhaltung einer gesunden Netzgiraffen-Reservepopulation beitragen
Obi (r.) soll mit Luna und den anderen Giraffenweibchen für Nachwuchs sorgen und damit zur Erhaltung einer gesunden Netzgiraffen-Reservepopulation beitragen (Bildquelle: Zoo Zürich, Fabio Süess)

Fehlende Giraffenbullen

Lange Zeit gab es nur wenige Giraffenbullen innerhalb des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms. Dies weil wenig bis gar nicht gezüchtet wurde, auch um die Kapazitätsgrenzen der Zoos, die Netzgiraffen im Rahmen des EEP halten und züchten, nicht zu überschreiten. Mit drastischen Folgen.

Die Reservepopulation der Netzgiraffen in Zoos überalterte. Es wurden kaum noch Jungtiere geboren, was zur Instabilität der Reservepopulation führte. Denn gibt es keinen Nachwuchs mehr, stirbt eine Population langfristig aus. Der Sinn und Zweck einer Reserve in Zoos für eine in der Natur stark bedrohten Art wird damit hinfällig.

Zucht unerlässlich im Artenschutz

In den vergangenen Jahren hat jedoch ein Umdenken stattgefunden und Zucht findet wieder statt. Aus Sicht des Zoo Zürich ist dies ein richtiger und wichtiger Schritt, denn nur eine stabile Reservepopulation hat einen dauerhaften Nutzen im Artenschutz. Fortpflanzung ist zudem ein elementares Grundbedürfnis von Tieren und ein wichtiger Aspekt im Rahmen einer artgerechten Haltung. Beispielsweise sind Jungtiere bei zahlreichen Tierarten bedeutsam für eine stabile Gruppendynamik.

Die Überzeugung, dass Zucht sowohl für den Artenschutz sowie für eine artgerechte Haltung in Zoos notwendig ist, kann dazu führen, dass es mehr Tiere als Platz im entsprechenden Zoo gibt. Es bleiben dann zwei Möglichkeiten. Das Tier wird abgegeben. Das ist jedoch nur möglich, wenn ein passender Abgabeplatz vorhanden ist. Oder, das Tier wird getötet und im besten Fall den Fleischfressern im Zoo verfüttert.

Vier Giraffenarten

Im August hatte die Weltnaturschutzunion IUCN bestätigt, dass es offiziell vier Giraffenarten gibt: Netzgiraffe, Massai-Giraffe, Nord-Giraffe und Süd-Giraffe. Dieser Konsens herrschte bereits seit Längerem in der Wissenschaft, galt aber noch nicht für die Rote Liste der gefährdeten Arten.

Dies ist jedoch wichtig, da erst dann der Bedrohungsstatus korrekt erfasst werden kann und Schutzmassnahmen sehr viel spezifischer erarbeitet werden können. Lebensraum, Bedrohungen und Bedürfnisse können sich von Art zu Art unterscheiden. Alle vier Giraffenarten gelten als mindestens gefährdet.

Die im Zoo Zürich lebende Netzgiraffe gilt als stark bedroht. Der Bestand der Giraffen hat in den vergangenen 35 Jahren um mindestens 30 Prozent abgenommen, mancherorts gar um 95 Prozent. Weil dies in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist, sprechen Fachleute häufig von «silent extinction», also dem leisen Aussterben.

Der Zoo Zürich engagiert sich nicht nur durch die Beteiligung am Europäischen Erhaltungszuchtprogramm am Schutz der Art, sondern auch durch sein Naturschutzprojekt Lewa im ursprünglichen Lebensraum der Netzgiraffe in Kenia.

Funktionale Knubbel: Die zahlreichen «Beulen» im Gesicht sind typisch für Giraffenbullen. Sie heissen Exostosen und haben eine Schutzwirkung, wenn zwei Männchen gegeneinander kämpfen
Funktionale Knubbel: Die zahlreichen «Beulen» im Gesicht sind typisch für Giraffenbullen. Sie heissen Exostosen und haben eine Schutzwirkung, wenn zwei Männchen gegeneinander kämpfen (Bildquelle: Zoo Zürich, Fabio Süess)

Schrittweise Eingewöhnung

Die Eingewöhnung des neuen Giraffenbullen auf der Lewa Savanne erfolgte schrittweise. Zunächst konnte er allein die verschiedenen Innenbereiche des Giraffenhauses erkunden und hatte Sichtkontakt zu den anderen Giraffen. Vier Tage später fand dann der erste direkte Kontakt zu zwei der drei Zuchtweibchen statt. Das dritte Weibchen folgte kurze Zeit später. Das jeweilige Zusammentreffen verlief harmonisch.

Von seiner Halbschwester Jahi wird Obi getrennt gehalten, um Inzucht zu verhindern. Sie wird den Zoo in den kommenden Wochen verlassen. Bis dahin wird im Wechsel immer eines der drei verbleibenden Weibchen Jahi Gesellschaft leisten.

Die anderen Tierarten der Savanne wird der Giraffenbulle ebenfalls schrittweise kennenlernen. Zunächst die Perlhühner, Strausse, Impalas und Säbelantilopen. Die Zebras und Nashörner folgen voraussichtlich erst im kommenden Frühjahr. Dies, weil dies nur auf der Savanne passieren kann, wo es genügend Ausweichmöglichkeiten gibt. Diese ist im Winter jedoch nicht immer für alle Tierarten zeitgleich begehbar.

Knubbel helfen im Kampf

Wie alle Giraffenbullen hat auch Obi zahlreiche Knubbel im Kopfbereich. Diese nennen sich Exostosen und sind Knochenwucherungen. Schaut man also einen nackten Schädelknochen eines Giraffenbullen an, ist der Knochen nicht eben, sondern übersät mit kleinen Erhebungen. Exostosen sind nicht zu verwechseln mit den sogenannten Ossikonen, den Hörnern oder Hornzapfen. Ossikone tragen beide Geschlechter. Bis zu fünf Hornzapfen im Kopfbereich sind möglich.

Die Hornzapfen (Ossikone) dienen der Verteidigung oder sind bei den Männchen Hilfsmittel im Kampf um Weibchen. Dabei schwingen die Männchen ihre Hälse und schlagen den Kopf mit Wucht gegen den Rivalen. Die Hornzapfen verstärken dabei den Schlag. Die Knochenwucherungen (Exostosen) dienen hierbei dem Schutz des Schädels beim Zuschlagen.

Quelle der Nachricht: Zoo Zürich