Ärzte geben unnötige Operationen zu
07.08.2014 | 10:59
Flecken auf dem Weisskittel: Jeder fünfte OP-Arzt und Pfleger räumt bei einer Umfrage ein, dass in seinem Spital Patienten unnötig unters Messer kommen. Zudem zeigen Daten des Bundes erstmals: Lukrative Operationen haben stark zugenommen - bis zu 96 Prozent.Die Spitalkosten treiben die...
- 2012 wurden fast doppelt so viele Personen wegen einer Knieprothese stationär behandelt wie 2003, nämlich 16'966 gegenüber 8'676. Das ist ein Anstieg von 96 Prozent.
- Bei den Wirbelkörperverblockungen im Rücken betrug die Zunahme im gleichen Zeitraum 80 Prozent, von 2'429 auf 4'380.
- Die Zahl stationärer Behandlungen wegen Hüftprothesen stieg in dieser Periode um 31 Prozent von 16'650 auf 21'887.
Erst im vergangenen Jahr hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer internationalen Studie gezeigt: In den meisten anderen Industrienationen wird weniger operiert als in der Schweiz. Die hohen Operationszahlen seien "oft von anderen Faktoren getrieben als von Patientenbedürfnissen".
Chirurgen-Verband: "Man macht den Patienten kränker"
Selbst Ärzteverbände haben diese OP-Inflation in den vergangenen anderthalb Jahren wiederholt kritisiert. So sagte 2013 der damalige Präsident des Schweizerischen Orthopäden-Verbands "swiss orthopaedics", Bernhard Christen, in einem Interview mit der "NZZ": "Es ist nicht abzustreiten, dass manchmal zu rasch eine Operation empfohlen wird."Aus wirtschaftlichen Gründen sei es "nur logisch, dass die Operationen auch in der Schweiz zunehmen werden".
Noch deutlichere Worte fand der damalige Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Chirurgie (SGC), Ralph Alexander Schmid: "Man macht den Patienten kränker, als er ist, um Leistungen zu generieren."
Versicherte zahlen OP-Inflation
Felix Schneuwly, Krankenkassen-Experte von comparis.ch, sagt: "Auf der einen Seite werden Menschen ohne hinreichende medizinische Evidenz operiert. Auf der anderen Seite beklagen Gesundheitsfachleute und –politiker Ärztemangel und Pflegenotstand. Offensichtlich wird mit den menschlichen und finanziellen Ressourcen im Gesundheitswesen nicht haushälterisch umgegangen. Das ist besonders brisant aufgrund der Tatsache, dass die Spitalkosten massgeblich verantwortlich sind für die steigenden Ausgaben im Gesundheitssystem.
Die OP-Inflation geht letztlich zu Lasten der Prämienzahler, weil diese nämlich die medizinisch unnötigen Eingriffe mit ihren steigenden Prämien in der obligatorischen Krankenversicherung bezahlen müssen."
Tipp für Patienten
Holen Sie sich eine Zweitmeinung ein, bevor sie einer Operation zustimmen. Die Krankenkassen bezahlen diese. Ärzte, die eine solche Zweitmeinung formulieren, sollten nicht wissen, wer die Erstmeinung verfasst hat.