Infoticker

Deshalb werden in China Unfallopfer nochmal überfahren

Immer häufiger erscheinen Bilder, wonach in China ein bereits Verletzter auf der Strasse ohne Rücksicht ignoriert oder gar nochmal überfahren werden. Die Gründe dafür sind ebenso grotesk.

"Es ist besser, jemand zu überfahren, und zu töten, als ihn anzufahren, und zu verletzen" - ein gängiges Sprichwort in China, das in den letzten Jahren scheinbar an Bedeutung gewonnen hat.

Tote sind billiger als Kranke

Letztlich steckt nicht weniger dahinter als eine grausame Rechnung. Laut dem Anwalt und China-Experten Geoffrey Sant, wenn wenn man einen Menschen aus Versehen totfährt – Beerdigungskosten. Dagegen werden Verletzungen und daraus resultierende Behinderungen richtig teuer. Laut Medienberichten wurden einem nach einem Unfall behinderten Mann kürzlich 400'000 Dollar jährlich vom Unfallverursacher zugesprochen.

Die Folgen dieser Regelung sind gravierend und brutal. Sie wurde erst in den letzten Jahren, seit es Verkehrsüberwachsungskameras gibt, wirklich sichtbar. So illustriert ein Video aus dem Jahr 2008 diese Folgen. Ein weisser Passat fährt im Rückwärtsgang eine alte Frau zu Boden. Der Fahrer hält daraufhin nochmal an, gibt Gas und fährt auch mit den Vorderreifen über sie. Noch zwei Mal fährt er vor und zurück, bis er schliesslich Fahrerflucht begeht.

Anklagen wegen Mordes gibt es kaum

Allerdings unterstütz zugleich die chinesische Regierung das Verhalten der Fahrer. So soll es zum Beispiel  in der Provinz Sichuan ein zweijähriger Junge von einem LKW angefahren worden sein. Der Junge blieb beim Vorfall unverletzt, kam schnell wieder auf die Beine. Der LKW-Fahrer dagegen legte den Rückwärtsgang ein, überfuhr ihn und tötete ihn. Sant schreibt, trotz entsprechender Augenzeugenberichte hätte der Polizeichef festgehalten, der Fahrer sei niemals rückwärts gefahren und hätte den Jungen nur einmal getroffen.

Viele Angeklagte umgehen somit den Anklagen wegen Mordes, obwohl es immer mehr Verkehrskameras gibt, die solche Vorfälle aufzeichnen.

Der Passatfahrer nebenbei musste lediglich 70'000 Dollar Schadensersatz zahlen und kam für drei Jahre ins Gefängnis – wegen Fahrlässigkeit. Er sagte vor Gericht aus, er hätte geglaubt, über einen Müllsack zu fahren.

Das führte auch dazu, dass die chinesische Bevölkerung kurzerhand die Dinge teilweise selbst in die Hand nimmt. Sant berichtet von einem Fall vor zwei Jahren. Eine Menge verprügelte einen Fahrer, der mehrfach über einen Sechsjährigen fuhr. Um allerdings verurteilt zu werden, muss man offensichtlich rabiater vorgehen. 2014 wurde ein Mann hingerichtet, der eine Fahrradfahrerin auch noch erstach, nachdem er sie überfahren hatte.

Kaum Hilfsbereitschaft in der Öffentlichkeit

Insgesamt hat jedoch die Hilfsbereitschaft in der Öffentlichkeit laut Umfragen weiter abgenommen. Grund sind Fälle wie der sogenannte "Peng Yu Fall". Eine alte Frau fiel 2006 beim Aussteigen aus dem Bus hin. Der Student Peng Yu half ihr auf, brachte sie ins Krankenhaus, wartete dort auf ihre Familie und liess ihr sogar etwas Geld dort. Später verklagte die Frau den Studenten und behauptete, er habe sie zum Fallen gebracht. Das Gericht gab ihr sogar recht. Die Begründung lautete "Lebenserfahrung". Wer einem Fremden so helfe, der müsse ja schlechtes Gewissen haben. Auch wenn Jahre später sich herausstellte, dass Yu gestanden und die Frau tatsächlich geschubst hatte, hat der Fall in China Folgen. Immer wieder gibt es Fälle dieser Art.

So berichten Medien von einem angefahrenen Mädchen, dass von allen Fussgängern, die vorbeigingen, ignoriert wurde. Andere schreiben von einem älteren Mann, der auf der Strasse stürzte und an seinem eigenen Blut erstickte. Die Passanten riefen nicht mal jemanden zur Hilfe - aus Angst, verklagt zu werden.

Bilder wie diese sind nicht selten:

Hier klicken, um den externen Inhalt zu laden