Infoticker

Fluglärm macht krank

Die Auswirkungen von Lärm sind vielfältig. Sie reichen von wenig spürbaren Gesundheitsrisiken wie Bluthochdruck, Stress und Schlafstörungen über Beeinträchtigungen im Alltag in Form von Konzentrationsstörungen und einer geminderte Leistungsfähigkeit zu gravierenden Krankheitsfolgen wie...

Lärm ist… für jeden anders

Lärm - Manche mögen, ja brauchen ihn, andere können ihn nicht ausstehen, flüchten vor ihm. Menschen reagieren individuell auf Schall. Eine Rolle spielen dabei die Lärmart, die persönliche Einstellung, die Tageszeit, der Gesundheitszustand und das Alter. So gesehen ist Lärm auch eine Geschmacksache. Und wenn immer es um Geschmack geht, gibt es viele Meinungen und unterschiedliche Auffassungen.

Fakt ist: Unabhängig davon, ob man dem Lärm nun freundlich oder feindlich gestimmt ist, schadet er der eigenen Gesundheit. Das zeigen weit über 100 nationale und internationale Studien, die sich dem Zusammenhang von Flug- und Verkehrslärm und einer Vielzahl von Krankheiten widmen.

Lärm ist… komplex

Der Duden definiert Lärm als Geräusche, die durch ihre Struktur auf die Umwelt (insbesondere Menschen) störend, belastend oder gesundheitsschädigend wirken. Somit wird bereits in der Definition des Wortes deutlich, dass Lärm negative Auswirkungen auf Gesundheit und Psyche hat. Lärm ist per se störend und belastend. Und er ist komplex. Ihn zu lokalisieren und ihm entgegenzutreten, stellt sich nicht selten als schwieriges Unterfangen heraus. Am Effektivsten um Lärm zu beseitigen ist es natürlich, diesen am Ursprung zu reduzieren.

Im Falle des Fluglärms sind das die Flugtriebwerke. Zwar gibt es Lüfter, sogenannte "Fans", die verhindern, dass der grösste Teil der angesaugten Luft gar nicht erst in den Verbrennungsmotor gelangt, doch von den Fluggesellschaften werden sie kaum eingesetzt. Es werden keine Anreize dafür geschaffen, die eigenen "Lärmemissionen" zu senken. So ist der Flughafen Zürich durch das Kantonale Flughafengesetz lediglich dazu verpflichtet, die Fluglärmbelastung zu ermitteln.

Lärm ist… gefährlich

Im August 2015 hat die Eidgenössische Lärmkommission einstimmig entschieden, dass unsere Fluglärm-Grenzwerte zu hoch angesetzt sind, weil sie nicht vor Gesundheitsschäden schützen. Die EKLB hat daraufhin die SiRENE-Studie in Auftrag gegeben, welche die akuten, kurz- und langfristigen Auswirkungen von Strassen-verkehrs-, Schienen- und Fluglärm auf die Belästigung, den Schlaf und die kardiometabolische Gesundheit untersuchte.

Die Ergebnisse der Studie des Schweizerischen Tropen- und Public Health Instituts in Zürich schrecken auf: Das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, steigt um vier Prozent pro zehn Dezibel Zunahme der Lärmbelastung am Wohnort. Je näher man an einem Flughafen wohnt, desto höher ist die Gefahr, an Herzinsuffizienz zu erkranken oder zu sterben.

Problematisch ist der Lärm vor allem in der Nacht, da der Körper dann aus biologischen Gründen mit Stress auf Lärm reagiert. Auch wenn wir es nicht merken, beeinträchtigen Motoren- und Fluggeräusche unseren Schlaf. Die Folgen sind: Herz-Kreislauf- und Magen-Darm-Erkrankungen, Gewichtszunahme, erhöhtes Infektionsrisiko, Depressionen und Diabetes. So sind tödliche Herzinfarkte um die Flughäfen Genf, Basel und Zürich um bis zu 48 Prozent häufiger als anderswo in der Schweiz. Auch Hautausschläge, Allergien, vielerlei Organleiden und Schlaganfälle kommen mit kürzerer Entfernung zum Flughafen häufiger vor.

Lärm ist… besonders für Kinder schädlich

Kinder sind besonders betroffen von Fluglärm. Am 17. Mai 1992 wurde der Flughafen München aus Land verlegt, da er durch die Stadtlage nicht mehr ausbaufähig war. Die Verlegung erlaubte es, prospektiv den Einfluss von Fluglärm zu analysieren. Bei 326 untersuchten Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 9 und 13 Jahren zeigte sich, dass die Leistungen von Langzeitgedächtnis, Lese- und Sprachverständnis zurückgingen. Auch die Motivation, sich komplexen Denkvorgängen zu stellen, nahm beträchtlich ab. Die Kinder brauchten mehr Zeit für anspruchsvolle Aufgaben, die Fehlerquote stieg.

Welche Folgen dies konkret für die schulische Karriere hat, wurde nicht untersucht, es ist jedoch anzunehmen, dass die fehlende Motivation, die Beeinträchtigung des Langzeitgedächtnisses und insbesondere der kognitiven Leistungen die Chancen auf eine höhere Ausbildung verringern. Diese Annahme wird bestärkt durch Langzeitstudien, welche zeigen, dass die Schädigungen auch nach Jahren unverändert bleiben.

Bei Kleinkindern kann es zu Hörschädigungen kommen. Diese sind tückisch, da sie meist langsam und lange unbemerkt verlaufen. Häufig treten die Auswirkungen erst in einer späteren Lebensphase zum Vorschein, wenn es bereits zu spät ist, um etwas dagegen zu unternehmen.

Andere Untersuchungen zeigten eine schlechtere psychosoziale Gesundheit und eine signifikante Hyperaktivität bei Kindern. Und es geht noch weiter: Da Lärm die Ausschüttung von Stresshormonen fördert und diese den Blutdruck erhöhen, macht er Kinder auch dick.

Lärm ist… alarmierend

Zu viel Schall - in Stärke und Dauer - kann nachhaltige gesundheitliche Schäden hervorrufen. Schall wirkt auf den gesamten Organismus, indem er körperliche Stressreaktionen auslöst. Dies kann schon bei niedrigen, nicht-gehörschädigenden Schallpegeln geschehen.

Das biologische "Alarmsystem" ist in der Nacht besonders sensibel: Die Stresshormone Adrenalin, Kortisol und Noradrenalin steigen im Schlaf schon ab Mittelpegeln von 35 Dezibel an. Diese führen zu Bluthochdruck und Schlafstörungen - auch ohne Aufwachen. Tief- und Traumschlaf, beides wichtig für die körperliche und seelische Erholung, werden bereits ab Mittelpegeln von 40 Dezibel verkürzt.

Der (Tief-)Schlafmangel drückt auf Psyche: Eine Studie aus Köln hat gezeigt, dass bei Menschen, die dauerhaft Fluglärm ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko besteht, an einer Depression zu erkranken.

Lärm ist… Anspannung und Stress

Was passiert genau im Körper, wenn dieser Lärm ausgesetzt ist? Es werden erst einmal viele Hormone ausgeschüttet: Lärm aktiviert das autonome Nerven- und das hormonelle System. Die Nebennieren schütten das Hormon Adrenalin aus, das den so genannten Sympathikus aktiviert. Die Folge: Blutgefässe verengen sich, der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz erhöht sich. Dadurch gerät der Körper in einen Erregungszustand. In der Folge schüttet der Körper vermehrt Stresshormone aus, die ihrerseits in Stoffwechselvorgänge des Körpers eingreifen.

Ist der Lärm vorbei, übernimmt der Gegenspieler des Sympathikus, der Parasympathikus und steuert die Erregung wieder zurück. Doch bei Dauerlärm oder sehr häufigen Ereignissen kommt der Körper nicht zur Ruhe, der Sympathikus bleibt aktiv - und so die Organe in ständiger Anspannung.

Da Kreislauf und Stoffwechsel weitgehend unbewusst über das autonome Nervensystem geregelt werden, treten autonome Reaktionen auch im Schlaf und bei Personen auf, die meinen, sich an Lärm gewöhnt zu haben.

Lärm ist… Dauerbelästigung

Im Rahmen der vom Bund und von privater Hand (Unique Flughafen Zürich AG) finanzierten und von der ETH Zürich durchgeführten "Lärmstudie 2000" wurden in den Jahren 2001 und 2004 die Auswirkungen von Fluglärm auf die Zürcher Bevölkerung untersucht. In zwei Bevölkerungsbefragungen wurden die Belästigung sowie deren Veränderungen im Zeitverlauf erhoben und verglichen. Insgesamt wurden 1'800 Personen befragt.

Bei Personen im Norden des Flughafens, die durch die Ostanflüge eine abrupte Abnahme der Belastung in den Nachtrandstunden erlebt hatten, zeigte sich, dass sowohl die Veränderung des Pegels zwischen 2001 und 2003 als auch der über das Jahr gemittelte Dauerschallpegel einen Einfluss auf die Belästigung hatte.

In einem von 2003 bis 2004 durchgeführten Feldexperiment wurden zudem die Auswirkungen von nächtlichem Fluglärm auf die subjektiv erlebte und objektiv gemessene Schlafqualität in den Nachtrandstunden (spätabends und frühmorgens) bei freiwilligen Versuchspersonen untersucht. Das Ergebnis: Fluglärm wird aufgrund seines Frequenzspektrums belastender wahrgenommen als beispielsweise Strassen- oder Schienenlärm.

Lärm ist… nachweislich belastend

Während den sogenannten Niederlast-Phasen (Startvorbereitung, Rollen, Landung) herrschen im Triebwerk relativ niedere Temperaturen, wobei das Kerosin nicht vollständig verbrannt wird. Bei diesem unvollständigen Verbrennungsprozess entstehen sogenannte flüchtige organische Verbindungen (VOC) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Das einzelne VOC bringt trotz erhöhter Werte keine akute Gefährdung mit sich. Nicht untersucht wurde bis anhin jedoch, was der kumulative Effekt multipler Stoffe für Folgen hat. Interessant wäre auch eine Studie zu den Langzeiteffekten von VOC.

Neben PAK sind auch Benzol und Ethylbenzol, die ebenfalls durch Flugzeuge ausgestossen werden, extrem giftig. Hunderte giftiger chemischer Elemente landen in unmittelbarer Umgebung von Flughäfen. Dabei ist nicht nur die Luft betroffen, sondern auch der Boden und das Wasser.

Lärm ist… immer störender

Die Lärmstudie der ETH Zürich zeigte noch etwas anderes; wir werden immer lärmempfindlicher. Der Grenzwert derjenigen Lautstärke, bei dem sich ein Viertel der Menschen stark belästigt fühlt, sank von 70 Dezibel im Jahr 1970 auf inzwischen 55 Dezibel.

Die stärkere Lärmempfindlichkeit gegenüber Fluglärm, die grosse Zunahme von Flugbewegungen, bauliche Entwicklungen ausserhalb des Flughafens und der Staatsvertrag mit Deutschland haben einen unzumutbaren Zustand herbeigeführt. Der Staat will die Lärmbelastungen zwar reduzieren, sagt gleichzeitig aber auch, dass eine Zunahme des Lärms nicht verhindert werden kann.

Lärmbekämpfungsfonds konzentrieren sich meist auf Schutzwalle und Lärmschutzmassnahmen. Daneben gäbe es aber weitere mögliche Lösungen: Produktion von Gegenschall, Technik beim Anflug, Verschiebung der Nachtruhe um eine Stunde, Erhöhung der Lärmgebühren usw.

Studien und Forschungen können die Risiken und Bedrohungen des Fluglärms aufzeigen, was sie aber nicht können, ist, Entscheidungen zu fällen. Solche müssen in einem gesellschaftlich-politischen Kontext getroffen werden. Dringend wäre die konsequente Umsetzung von planerischen, baulichen, betrieblichen und finanziellen Massnahmen.

Artikelfoto: Stiftung gegen Fluglärm