Inselspital: Frühgeborene siamesische Zwillinge erfolgreich getrennt
31.01.2016 | 09:24
Das Inselspital hat in Kooperation mit dem Universitätsspital Genf erfolgreich frühgeborene Siamesische Zwillinge getrennt. Es sind die kleinsten miteinander verwachsenen Kinder, die bisher getrennt wurden.
Am 10. Dezember haben Kinderchirurgen der Kinderkliniken Bern in Zusammenarbeit mit Genfer Kollegen medizinisches Neuland betreten. Sie trennten in einer fünfstündigen Operation erfolgreich Siamesische Zwillinge. Die beiden 8 Wochen vor dem Termin geborenen Mädchen waren grossflächig an der Leber zusammengewachsen, besassen aber alle lebenswichtigen Organe. In der Schweiz wurden in den letzten 30 Jahren bisher nur zweimal siamesische Zwillinge geboren, die nach der Trennung überlebten.
Es ist die erste erfolgreiche Operation derart kleiner Siamesischer Zwillinge in der Schweiz und möglicherweise sogar weltweit, und damit – abgesehen vom grossen Glück für die Eltern – eine medizinische Sensation. An der Operation in der Universitätsklinik für Kinderchirurgie des Inselspitals Bern wirkte auch ein kinderchirurgisches Team der Hôpitaux Universitaires de Genève (HUG) mit.
Drillings-Geburt
Die Kinder waren am 2. Dezember in der 32. Schwangerschaftswoche in einer Drillings-Geburt per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen. Der Gesundheitszustand der Mutter hatte den Eingriff erforderlich gemacht. Das dritte Mädchen kam gesund auf die Welt.
Mutter und Kinder wurden von Fachexpertinnen und -Experten aus den Bereichen Geburtshilfe, Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin, Pädiatrische Bildgebung, Kinderanästhesie, OP-Pflege, Kinderchirurgie und Kinderherzchirurgie gemeinsam weiterbetreut.
Komplexe OP bei sehr kleinen Zwillingen
Die Siamesischen Zwillinge wogen zusammen 2200 Gramm. Sie hatten grosse Probleme, weil durch die Leber sehr viel Blut vom einen zum anderen Kind floss. Ein Kind hatte deshalb zu viel Blut und einen viel zu hohen Blutdruck, während das andere Kind bei zu niedrigem Blutdruck zu wenig Blut erhielt. Um die Kinder zu retten, beschloss das interdisziplinäre Behandlungsteam in Absprache mit den Eltern, bereits nach einer guten Woche notfallmässig die operative Trennung zu wagen.
Noch nie zuvor waren derart kleine Siamesische Geschwister erfolgreich getrennt worden. Die Lebern der beiden waren grossflächig miteinander verbunden und darin verlaufende grosse Blutgefässe mussten getrennt werden. Daher wurde das erfahrene Genfer Kinder-Leberchirurgie-Team Barbara Wildhaber und Jim Wilde bereits vor der Geburt regelmässig informiert und eingebunden. Als sich der Gesundheitszustand der Kinder verschlechterte, bot das Inselspital die Genfer Kollegen kurzfristig zur Operation auf. Zusätzlich beteiligt war der Berner Kinderherzchirurg Alexander Kadner, weil die Kinder auch am Herzbeutel und Brustkorb verbunden waren.
Nur im Team möglich
Steffen Berger, Chefarzt für Kinderchirurgie, über den komplexen Eingriff am Inselspital: „Bereits die Vorbereitung und Betreuung der Geburt durch die Kollegen der Geburtshilfe und Neonatologie war herausfordernd. Die anschliessende Stabilisierung der Kinder auf der Kinderintensivstation und eine MRI-Untersuchung durch die pädiatrische Bildgebung mit speziell angepassten Techniken waren die Voraussetzung, um den Eingriff bei so kleinen Kindern wagen zu können.“
Während der Operation waren zwei komplette Kinder-Anästhesieteams im Einsatz, welche die Mädchen auch nach der Trennung nahtlos weiterbegleiteten. „Die perfekte Teamarbeit der Ärzte und Pflegenden verschiedener Disziplinen waren hier der Schlüssel zum Erfolg“, so Berger. „Wir sind sehr froh, dass es den Kindern und Eltern jetzt so gut geht.“
Nachdem ihre Bauchwände in weiteren Operationen schrittweise ganz verschlossen werden konnten, erholen sich die getrennten Zwillinge nun auf der Kinder-Intensivstation. Während dieser Zeit wird ihr Zustand weiter engmaschig überwacht. Bisher entwickeln sich die immer noch sehr kleinen Kinder sehr gut.