So sehr leiden Jugendliche mit psychisch kranken Eltern
09.10.2017 | 07:24
Anina hat jeden Morgen anstrengende Auseinandersetzungen mit ihrem Vater, da dieser sie nicht in die Schule gehen lassen will. Er ist überzeugt davon, das Mädchen werde von einem Fremden verfolgt. Aninas Vater leidet an Schizophrenie.
Luca kocht seit Wochen für seine jüngeren Geschwister das Mittag- und Abendessen. Auch die Wäsche erledigt er. Lucas Mutter hat eine Depression.
Für Jugendliche wie Anina und Luca gibt es jetzt Hilfe vom Institut Kinderseele Schweiz: auf der Onlineplattform www.iks-ies.ch finden Jugendliche mit psychisch kranken Eltern ausführliche Informationen, informative Kurzfilme und hilfreiche Tipps und sie können sich anonym per E-Mail beraten lassen.
Fast jeder zweite Mensch leidet mindestens einmal in seinem Leben an einer psychischen Erkrankung. Viele psychisch kranke Menschen sind Eltern minderjähriger Kinder und Jugendlicher. Für diese bedeuten die elterliche Erkrankung und die damit verbundenen Probleme häufig eine grosse Belastung. Sie leiden mit ihren Eltern, machen sich Sorgen, stellen sich viele Fragen, die vielfach nicht beantwortet werden.
Gefährdete Jugendliche
Nicht nur die ganz Kleinen leiden. Auch Jugendliche wie Anina und Luca fühlen sich sehr belastet, werden geplagt von Ängsten und fragen sich, ob sie Schuld haben an der Erkrankung ihrer Mutter oder ihres Vaters. Sie übernehmen häufig auch viel Verantwortung, da die Mutter oder der Vater nicht mehr die Kraft aufbringen, sich um den Haushalt, die Betreuung von kleineren Geschwistern und andere Familienarbeiten zu kümmern.
Diese belastenden Situationen spielen sich oft lange hinter verschlossenen Türen ab. So wird die Isolation und Ohnmacht dieser Jugendlichen oft erst wahrgenommen, wenn diese selbst Probleme zeigen. Gerade bei psychischen Erkrankungen sind die Transmissionsraten hoch - Kinder von psychisch belasteten Eltern sind besonders gefährdet, selbst zu erkranken und von Entwicklungs- und psychischen Störungen betroffen zu werden, die sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen können.
Jugendliche da abholen, wo sie sind: online
Trotz der grossen Risikogruppe und den weitreichenden Folgen gibt es kaum Support-, Informations- und Beratungsangebote für betroffene Jugendliche. Das Institut Kinderseele Schweiz hat diese Lücke erkannt und baut eine einfach zugängliche Online Informations- und Anlaufstelle für diese Jugendlichen und ihr Umfeld auf.
Ein erstes Kernstück der Plattform sind fünf Kurzfilme, in denen erklärt wird, wie sich eine psychische Erkrankung auf die ganze Familie und die Menschen in ihrem Umfeld auswirken kann. Weitere sieben Kurzfilme erklären gut verständlich die sieben häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Filme sollen die Jugendlichen dazu anregen, sich auf der Plattform noch weiter zu informieren und sich bei Bedarf auch Hilfe zu holen. Damit das schnell und einfach möglich ist, bietet Kinderseele Schweiz auch anonyme Beratungen per E-Mail an.
Chance geben für eine gesunde Entwicklung
Betroffene Kinder und Jugendliche brauchen Erklärungen, sie wünschen sich die Gewissheit, dass sie persönlich keine Schuld trifft an der Erkrankung des Elternteils und sie wollen Tipps, wie sie mit der Situation umgehen können. Wenn sie dies bekommen, haben sie eine reelle Chance darauf, sich genauso gesund wie andere Kinder und Jugendliche entwickeln zu können.
Institut Kinderseele Schweiz
Die gemeinnützige Stiftung Kinderseele Schweiz setzt sich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche psychisch belasteter Eltern die gleichen Chancen auf eine gesunde Entwicklung haben wie nicht betroffene Kinder. Kinderseele Schweiz spricht über die bedrückende und potenziell gesundheitsschädigende Situation dieser Kinder und Jugendlichen und sorgt dafür, dass darüber gesprochen wird.
Die Stiftung bietet auch Beratung an für Betroffene, ihr soziales Umfeld und Fachpersonen und vermittelt Hilfe. Zudem fördert sie die Vernetzung aller relevanten Versorgungssysteme, initiiert Forschungsprojekte und leitet daraus wirkungsvolle, strukturierte Hilfsangebote ab.
Artikelfoto: obs/Institut Kinderseele Schweiz