Fast 600 gekenterte Menschen gerettet

(Bildquelle: infoticker)

In einer dramatischen Rettungsaktion haben die Teams von SOS Mediterranée und Médecins Sans Frontières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) auf dem Rettungsschiff Aquarius am Mittwoch dutzende Menschen aus dem Wasser gezogen, deren Schlauchboot gekentert war. Doch mehrere Menschen werden vermisst und sind mit...

Die Aquarius hat am Mittwoch insgesamt 588 aus Seenot gerettete Menschen an Bord genommen und ist am Freitagmorgen im Hafen von Vibo Valentia in Italien angekommen. Die Überlebenden werden von einem MSF-Team betreut.

"Die Rettungsaktion hat sich schlagartig in einen Alptraum verwandelt, als eines der drei mit Männern, Frauen und Kindern überladenen Schlauchboote kenterte und Dutzende ins Meer fielen", sagt Dr. Seif Khirfan von MSF an Bord der Aquarius. "Unsere Teams haben den Menschen Rettungswesten und alles, was sie über Wasser halten könnte, zugeworfen und sie aus dem Wasser gezogen. Wir haben zwar keine Leichen geborgen, aber wir sahen Menschen untergehen. Wir konnten einen Mann mit Herzstillstand wiederbeleben, der dann per Hubschrauber nach Italien gebracht wurde."

Mehrere Verletzte

Mehrere Gerettete litten nach dem Vorfall an Unterkühlung. Das medizinische Team behandelte auch mehrere Verletzungen, die die Menschen in Libyen erlitten hatten, wo Flüchtlinge und Migranten systematischer Ausbeutung und entsetzlicher Gewalt ausgesetzt sind.

"Ein Mann hatte einen offenen Knochenbruch mit kompletter Verrenkung des linken Knöchelgelenks. Das war schon vor einem Monat passiert. Er erzählte mir, dass er die Verletzung erlitten habe, als er in Libyen vor Gewehrfeuer geflohen sei", erzählt Khirfan. "Einem anderen Mann wurde vor einer Woche der Arm gebrochen, als er willkürlich in Libyen festgehalten wurde."

Flüchtlinge werden misshandelt

Die grosse Mehrheit der Menschen, die von Schiffen mit Teams von MSF im Mittelmeer gerettet wurden, hat Libyen durchquert. Sie erzählen den MSF-Mitarbeitern von Misshandlungen durch Schleuser, bewaffnete Gruppen und Milizen. Sie berichten von verschiedensten Formen von gewaltsamen Übergriffen, einschliesslich sexueller Gewalt, willkürlicher Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen, von Folter und anderen Formen der Misshandlung, finanzieller Ausbeutung und Zwangsarbeit.

"Die Menschen begeben sich nicht leichtfertig auf diese Route, sie würden ihr Leben und das Leben ihrer Kinder nicht riskieren, wenn sie Alternativen hätten", sagt Luca Salerno, der MSF-Teamleiter an Bord der Aquarius. "Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen dringend für sichere und legale Fluchtwege sorgen und Möglichkeiten zu legaler Migration eröffnen, so dass diese verzweifelten Menschen nicht mehr ihr Leben auf dem Mittelmeer riskieren müssen."

Artikelfoto: Maud Veith/SOS Méditerranée