Grössere Rinderalpen, auf denen Tiere verschiedener Betriebe aus mehreren Kantonen gesömmert werden, waren in den letzten Jahren vermehrt mit Klauenkrankheiten konfrontiert. Kranke Klauen bedeuten für die Tiere Stress und Schmerzen. Zudem ist oft auch eine tierärztliche Behandlung notwendig. Tiere auf der Alp zu behandeln bedeutet wiederum nicht nur einen höheren Medikamenteneinsatz für die betroffenen Alpen, sondern auch eine grosse Mehrbelastung für das Hirtepersonal. Der Alpalltag von Hirtinnen und Hirten ist bereits unter normalen Bedingungen ausgefüllt und hart. Müssen zusätzlich noch täglich im unwegsamen Alpgelände Rinder eingefangen, separiert und über mehrere Tage hinweg behandelt werden, ist das kaum mehr bewältigbar. Es drohen Kündigungen des Hirtepersonals, aber auch der sömmernden Betriebe. Fehlendes Personal und fehlende Sömmerungstiere wiederum bedrohen die Aufrechterhaltung und Pflege der Alpen und damit der touristisch attraktiven Landschaft im Alpgebiet.
Teufelskreis mit vereinten Kräften durchbrechen Die Ämter für Landwirtschaft der Kantone Uri und Schwyz, der Veterinärdienst der Urkantone, die Korporation Uri und die Hirteverwaltungen Surenen und Fiseten nehmen die Problematik ernst und packen sie gemeinsam und entschlossen an. Fachlich begleitet durch den Rindergesundheitsdienst und organisatorisch unterstützt durch die Agrofutura setzen sie das vom Bundesamt für Landwirtschaft finanziell unterstützte Projekt «Gesunde Tiere, attraktive Hirtenstellen und weniger Medikamente auf grossen Rinderalpen» von 2020 bis 2022 um.
Ziele des Projekts Langfristig soll die Bewirtschaftung der Alpen gesichert und das Wohlergehen der Tiere erhalten und gesteigert werden. Zudem soll der Einsatz von Tierarzneimitteln auf betroffenen Alpen sinken. Während der Projektzeit (2020 bis 2022) wird die Situation bezüglich Klauenkrankheiten auf den Pilotalpen detailliert erhoben. Es entstehen Anleitungen, Hilfsmittel und Beratungsunterlagen. Diese sollen aufzeigen, mit welchen organisatorischen und technischen Massnahmen die betroffenen Betriebe und Alpen Klauenkrankheiten vor, während und nach der Alpung verhindern oder zumindest reduzieren können.
Erste Erkenntnisse aus dem Alpsommer 2020 Dank einem gemeinsamen Effort von Alppersonal, Hirteverwaltungen, Behörden, Beratung, Grosstierpraxis Uri und dem Rindergesundheitsdienst liegen nach dem Alpsommer 2020 bereits erste wertvolle Erkenntnisse zur Verbesserung der Klauengesundheit auf grossen Rinderalpen vor. Bakteriologische Untersuchungen zeigten, dass vor allem Panaritium (Schlegelfäule) auftritt und sich ausbreitet. Andere häufige Klauenkrankheiten wie «das Erdbeeri» (Mortellaro) spielen auf den beiden untersuchten Alpen keine Rolle. Die Bakterien, die an der Schlegelfäule beteiligt sind, kommen überall vor, wo die Rinder sind. Die einmalige Desinfektion der Klauen mit einem Klauenbad beim Alpauftrieb bringt deshalb keine ausreichende Wirkung. Die Befragung der Tierhaltungsbetriebe zeigt zudem, dass weder die Klauenpflege, die Fütterung oder das Stallhaltungssystem der Tiere im Heimbetrieb einen Einfluss auf das Vorkommen von Schlegelfäule auf der Alp haben. Zusätzliche spezifische Vorkehrungen auf den Heimbetrieben vor der Alpung sind deshalb nicht notwendig. Die begleitenden Tierärztinnen fokussieren den Kampf gegen die Schlegelfäule deshalb zukünftig voll und ganz auf zwei entscheidende Faktoren: Die Minimierung der Gefahr für Klauenverletzungen auf den betroffenen Alpen und die Reduktion feuchter Stellen auf Weiden, Wegen und bei Tränkestellen, in denen sich die Bakterien rasch vermehren können. Erste Ansätze zur Reduktion der Verletzungsgefahr der Tiere haben sich im Alpsommer 2020 bewährt.
Die Separierung und getrennte Weideführung von trächtigen und nicht trächtigen Rindern führt zu ruhigeren Herden. Mehr Ruhe bedeutet weniger Bewegung und Stress. Damit wird die Verletzungsgefahr an den Klauen und in der Folge auch die Eintrittsmöglichkeit für Bakterien reduziert. Eine hüttennahe Krankenweide erleichtert dem Hirtepersonal die Behandlung bereits erkrankter Rinder. Gleichzeitig ermöglicht sie eine bessere Beobachtung der Tiere und Steuerung des Heilungsprozesses. Die Krankenweide trägt damit zur gezielteren Dosierung von Medikamenten, eine kürzere Genesungsphase sowie zur Reduktion von Zweitbefällen der Tiere bei.
Meilenstein für Alpbewirtschaftung setzen Die Projekt-Trägerschaft ist zuversichtlich, dass das gemeinsame, fachlich und organisatorisch fundierte Vorgehen einen wichtigen Meilenstein zur langfristigen Erhaltung der Alpwirtschaft in den Bergkantonen setzt.