Der vorliegende Gesetzesentwurf, welcher das überholte Gesetz aus dem Jahr 1962 ersetzen soll, ist das Ergebnis intensiver Beratungen, wobei auch umfassende Anhörungen von Leistungsanbietern (Jugendheime und deren Verbände), Leistungsbezügern (Jugendanwaltschaften, KESB) sowie den Gemeinden als Teil-Kostenträger durchgeführt wurden.
Das neue Gesetz regelt die Grundsätze für die Planung und Finanzierung der Versorgung des Kantons mit einem bedarfsgerechten Angebot an ergänzender Hilfe zur Erziehung, welche in einer Institution oder als familienunterstützende Massnahme oder als Kombination dieser beiden Formen erfolgen kann. Die kantonale Gesamtplanung erfolgt durch den Kanton und wird von diesem in Leistungsvereinbarungen mit den Institutionen konkretisiert. Allerdings, so die Kommissionsmehrheit, muss der Kanton Gemeinden, zuweisende Stellen, Leistungserbringer und Leistungsbezüger in die Erarbeitung der Gesamtplanung einbeziehen. Der Kanton ist für Bewilligungen und Aufsicht im Bereich der ergänzenden Hilfe zur Erziehung zuständig.
Eine wesentliche Neuerung gegenüber heute ist die Finanzierung über ein Gesamtkostenmodell: Der Kanton finanziert zunächst den gesamten Leistungsbezug und übernimmt 40 Prozent dieser Kosten, während die Gemeinden solidarisch die restlichen 60 Prozent teilen, und zwar anteilsmässig im Verhältnis der Einwohnerzahl und nicht mehr fallweise. Das Gesamtkostenmodell ist administrativ einfach zu handhaben, sowohl für den Kanton wie für die Gemeinden, verhindert plötzliche hohe Belastungen durch einen teuren Fall in einer Gemeinde und ist dadurch finanziell planbarer.
Wesentliche Änderungen am Gesetzesentwurf betreffen insbesondere folgende Inhalte:
- Im KJG sollen neben der KESB und den Eltern auch die Gemeinden - und damit insbesondere die Schulgemeinden - mit dem Einverständnis der Eltern ein Antragsrecht für die Kostenübernahmegarantie zu einer Massnahme erhalten (§ 22a KJG).
- Abweichend vom Antrag des Regierungsrates wurde der Kostenteiler von 35:65 auf 40:60 geändert. Gestützt auf aktuelle Zahlen führt der Antrag des Regierungsrates zu jährlichen Mehrkosten von 16 Mio. Franken. Der neue Kostenteiler 40:60 erhöht diese Mehrkosten um weitere rund 10 Mio. Franken. Entsprechend werden die Gemeinden entlastet. Die Kommissionsmehrheit betrachtet diese Mehrbelastung angesichts der zentral steuernden Rolle des Kantons, verbunden mit den entsprechenden Kompetenzen, als fair und für den Kantonshaushalt vertretbar.
- Aufgrund der in der Anhörung vorgebrachten Befürchtungen bezüglich der Regelung der Investitionen sieht die Kommission zusätzlich vor, dass neben den Betriebsbeiträ- gen an die Leistungserbringenden, die Investitionsmittel beinhalten, zur Aufrechterhaltung der Versorgung der Kanton notfalls auch Investitionsbeiträge sprechen kann (§ 19a KJG und § 65d VSG).
- Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderhorten und Kindertagesstätten (§ 27a VSG und § 18b KJHG) sollen gelockert werden. Als Folge davon dürfen Tagesfamilien neu ein Kind mehr betreuen (max. 6 statt 5 wie bisher). Ausserdem wird der Betreuungsschlüssel in Kinderhorten und –tagesstätten neu gesetzlich und nicht mehr nur auf Verordnungsebene festgelegt (§ 27c VSG).
Eine Minderheit (AL, SVP, Grüne, CVP) hält am Kostenteiler 35:65 fest. Dieser Kostenteiler entlastet die Gemeinden bereits um 16 Mio. Franken und zusätzliche Mehrkosten sind aus ihrer Sicht nicht gerechtfertigt. Eine weitere Minderheit (FDP) befürwortet hingegen eine andere Aufgabenteilung. Die Gemeinden würden die Kosten für die sozialpädagogische Familienhilfe übernehmen, der Kanton alle übrigen Kosten (100:0). Die Kommissionsmehrheit lehnt diese Aufgabenteilung ab, weil damit eine Kostenverschiebung hin zum Kanton von zusätzlich 120 Mio. Franken verbunden wäre und ein inhaltlich unerwünschter Bruch in der Finanzierung der ergänzenden Hilfe zur Erziehung entstehen würde.
Eine dritte Minderheit (SVP) favorisiert im Gegensatz zum Mehrheitsantrag das so genannte Marktmodell. Sie geht davon aus, dass die Nachfrage aufgrund des gesetzlichen Fürsorgeauftrags gegeben ist und deshalb das nötige Angebot von den heutigen, unterschiedlich getragenen, oder neuen Institutionen frei generiert würde. Die Rolle des Kantons wäre beschränkt auf die Erteilung von Bewilligungen, auf die Aufsicht und auf die übersichtliche Darstellung der Jugendhilfe-Angebote. Daraus würden die einzelnen Gemeinden einen Anbieter auswählen und subjektbezogen fallweise Leistungen einkaufen. Finanziert würde über eine Leistungstaxe, welche der Kanton bezahlt, der anschliessend den Gemeindeanteil und den Anteil der Erziehungsberechtigten den Gemeinden in Rechnung stellt.
Die Kommissionsmehrheit lehnt das so genannte Marktmodell aus inhaltlichen und formellen Gründen ab. Inhaltlich wegen fehlender Kostensteuerung und fehlender Versorgungssicherheit, nur minimaler Qualitätssicherung und eines übermässig hohen administrativen Aufwands für die einzelne Gemeinde. Formell, weil dieses Modell die Ausarbeitung eines völlig neuen Gesetzes bedingen würde; es könnte nicht in den vorliegenden Gesetzesentwurf eingearbeitet werden. Ausserdem müsste eine neue Vernehmlassung durchgeführt werden.
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