Während der Hauptverkehrszeiten ist das Bahnnetz in der Schweiz stark ausgelastet. 57 Prozent der Kunden pendeln während der Hauptverkehrszeiten an ihren Arbeitsort oder in die Schule. Die Infrastruktur und das Angebot sind auf diese Pendlerspitzen ausgelegt, was den öffentlichen Verkehr für Bund und Kantone verteuert. In den Nebenverkehrszeiten sind die Züge hingegen deutlich weniger stark ausgelastet - im Durchschnitt sind nur rund 20 bis 30 Prozent der Sitzplätze belegt.
Win-win-Situation
Die SBB fördert darum flexible Arbeitsmodelle und motiviert ihre Mitarbeitenden, vermehrt in den Nebenverkehrszeiten zu reisen. Um die Pendlerspitzen zu brechen, ist sie aber auch auf die Unterstützung von Bund, Kantonen, Unternehmen und Schulen angewiesen. Eine Vorreiterrolle unter den Schweizer Bildungsinstitutionen nimmt dabei nun auch die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW ein. Im Sommer 2018 wird die FHNW in Muttenz ihren grössten Neubau beziehen. Der neue FHNW Campus Muttenz wird ab Herbst 2018 der Studien- und Arbeitsort von rund 3'700 Studierenden und 800 Mitarbeitenden sein. Für rund ein Drittel der Studierenden werden dort bereits ab dem Herbstsemester 2018 die Vorlesungszeiten zu einem späteren Zeitpunkt starten.
Vor dem Hintergrund dieses Grossprojekts betonte Prof. Dr. Ursula Renold, Präsidentin des Fachhochschulrats der FHNW, an der Medienkonferenz in Muttenz: "Die FHNW schätzt es sehr, mit der SBB einen verlässlichen Partner zu haben. Denn trotz der Dichte und Komplexität des heutigen Schienennetzes hat es die SBB ermöglicht, dass ab 2018 zwei InterRegio-Züge in Muttenz halten werden." Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr sei für die Standortattraktivität des neuen FHNW Campus Muttenz von grosser Relevanz. "In diesem Sinne bedankt sich die FHNW bei den SBB sowohl für diese zukunftsorientierte Zusammenarbeit als auch für den von der SBB zur Verfügung gestellten FHNW-Zug", so Renold.
Kanton und Gemeinde begrüssen Vorhaben
Auch für die SBB hat diese Vorlesungsplanung gemäss Michel Berchtold, Leiter SBB Personenverkehr Region Mitte, nur Vorteile: "Während der Hauptverkehrszeiten sind die intensiv genutzte Strecke Olten–Muttenz–Basel und der Knoten Basel weniger stark ausgelastet. Des Weiteren wird das Potenzial des Fernverkehrs mit dem Halt zweier InterRegio-Züge in Muttenz genutzt, sodass die Studierenden und Dozierenden ab dem 10. September 2018 einfacher via Luzern–Olten–Gelterkinden–Sissach–Liestal–Basel reisen können und 25 Minuten früher für die Vorlesungen in Muttenz ankommen." Ein weiterer Nutzen der gestaffelten Vorlesungszeiten für die Studierenden: Ihnen stehen mehr Sitzplätze in den Zügen zur Verfügung, und sie können in Ruhe lernen oder sich auf Vorlesungen vorbereiten.
Auch Muttenz als Standortgemeinde profitiert, sagte Gemeindepräsident Peter Vogt: "Auch der Bevölkerung und ortsansässigen Firmen kommt der Angebotsausbau zugute. Zudem ist es eine noble Geste, dass auch die Gemeinde Muttenz mit ihrem Wappen auf dem S-Bahn-Fahrzeug in Erscheinung treten darf." Im Rahmen der heutigen Medienkonferenz wurde der FHNW-Werbezug auf den Namen Muttenz getauft.
Regierungsrätin Sabine Pegoraro lobte die Zusammenarbeit zwischen SBB, FHNW und Gemeinde: "Die FHNW positioniert sich mit Unterstützung der SBB als innovative Hochschule, die sich in der Thematik der Hauptverkehrszeit-Spitzen massgeblich engagiert. Dies trägt zu einer Entlastung der S-Bahn und zu einem kleinen Teil auch zur Verlagerung von Fahrten von der Strasse auf die Schiene bei."
Dr. Kathrin Amacker, Mitglied Konzernleitung SBB AG, betonte die Wichtigkeit und die Bedeutung der Zusammenarbeit mit der FHNW über die Nordwestschweiz hinaus: "Die SBB kann die Verkehrsspitzen nicht alleine glätten. Es braucht die Unterstützung von Bund, Kantonen, Unternehmen und Hochschulen." Es gehe bereits in die richtige Richtung, so Amacker: "2016 hat es, wie schon im Vorjahr, in den Nebenverkehrszeiten ein leicht höheres Passagierwachstum gegeben als in den Hauptverkehrszeiten."
SBB mit gutem Beispiel
Damit könnten in Zukunft teure Ausbauten der Bahninfrastruktur verzögert oder gar vermieden werden. Mit der Work-Smart-Initiative setzt sich die SBB dafür ein, dass Unternehmen wo immer möglich die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden flexibilisieren. Die SBB selbst geht mit gutem Beispiel voran und motiviert eigene Mitarbeitende vermehrt in den Nebenverkehrszeiten zu reisen.
Eine umfassende Studie hatte gezeigt, dass mindestens 80 Prozent der Studierenden mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Hochschule reisen, was deutlich über dem Modalsplit aller Schweizer Auszubildenden liegt. Mit dieser Erkenntnis konnte in einer weiteren und schweizweiten Studie ermittelt werden, dass mithilfe von verschobenen Vorlesungszeiten über 22'000 Studierende ausserhalb der Hauptverkehrszeiten reisen könnten und so zu einer Entlastung beitragen könnten. Eine Umfrage bei rund 800 Studierenden ergab zudem, dass sich rund 40 Prozent spätere Vorlesungszeiten vorstellen könnten oder sogar wünschen.
Artikelfoto: Transformer18 (CC BY 2.0)