Seehunde sind für den Tierarzt fürs Erste keine einfachen Pfleglinge. Will man sie näher untersuchen, kann man sie nicht einfach festhalten. Auch Narkosen sind risikoreich, da unter der Haut eine dicke Fettschicht liegt, die der Regulierung des Wärmehaushalts dient. Diese Fettschicht erschwert eine kontrollierte Dosierung des Narkosemittels.
Seehunde - Robben generell - sind spielerisch veranlagt, neugierig und interessiert. Diese Eigenschaften lassen sich gezielt nutzen, um erwünschtes Verhalten zu fördern. Die Ausgangslage bilden ein Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier, eine gemeinsame "Sprache" sowie eine positiv verstärkende Belohnung. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier beruht dabei auf Freiwilligkeit, ohne Druck und Strafe.
Als "Futterlieferant" spielt der Tierpfleger in der Umwelt des Seehundes eine wichtige Rolle, ihm gilt die volle Aufmerksamkeit. Die gemeinsame "Sprache" ist ein Signalton einer Pfeife oder eines Klickers, mit dem der Tierpfleger oder Tiertrainer ein erwünschtes Verhalten quittiert und mit einem positiven Reiz - sprich Futter - belohnt. Hat das Tier die Verknüpfung von Verhalten und Signalton verstanden, lassen sich damit bestimmte Verhaltensweisen gezielt in eine gewünschte Richtung lenken und trainieren.
Üben für den Ernstfall
Was bei der täglich stattfindenden Seehundfütterung leichthin als kleine Show verstanden werden kann, hat eine tiefere Bedeutung: Die Arbeit mit den Seehunden unter Einbezug verschiedener Spielgeräte schafft ein Vertrauensverhältnis zwischen Pfleger und Tier und erlaubt eine Nähe, die quasi spielerisch eine Inspektion und allenfalls Behandlung des Tieres zulässt.
Ziel ist es, den Seehund am ganzen Körper ohne Abwehrverhalten berühren und ihn auf eine Waage oder in eine Kiste lotsen zu können. Eines der Spielgeräte ist beispielsweise einem mobilen Röntgengerät nachempfunden. Sollte ein richtiges zum Einsatz kommen, sind die Seehunde schon darauf vorbereitet und mit der Situation vertraut.
Einer der ältesten Seehunde
Drei Seehunde tummeln sich in der Anlage im Zoo Zürich. Das jüngste Tier ist das Weibchen Pila. Sie wurde 2015 im Neunkircher Zoo im Saarland geboren und kam noch im gleichen Jahr nach Zürich. Das Männchen Inuit - an der Grösse erkennbar - kam 2008 im Zoo Zürich zur Welt.
Das dritte Tier ist die "grand old lady" Farah. Sie wurde 1978 in einem englischen Park geboren und kam 1979 zur Eröffnung der neuen Seehundanlage nach Zürich. Farah wurde im vergangenen Juni vierzig Jahre alt, was für Seehunde ein respektables Alter darstellt. In der Alterspyramide, die in der internationalen Zootierdatenbank abgerufen werden kann, ist nur ein einziges älteres Tier aufgeführt. Farah befindet sich derzeit im jährlichen Fellwechsel, gut erkennbar am struppigen Fell. Aus diesem Grund frisst sie derzeit weniger als sonst und ist beim Training auch weniger am Futter interessiert.
Ob jung oder alt, alle Seehunde werden ins tägliche Training miteinbezogen. Damit wird die Grundlage geschaffen, dass die Tiere regelmässig stressfrei kontrolliert und medizinisch versorgt werden können. So können kleinere Verletzungen desinfiziert oder Augentropfen problemlos verabreicht werden. Zudem werden die Tiere über das mit der Fütterung verbundene Training in verschiedenen Fähigkeiten gefordert, erhalten Abwechslung und Beschäftigung. Und wenn man sieht, mit welcher Spannung und Bereitschaft die Seehunde das Training mitmachen, dann kommt dabei bestimmt auch das Spielerische - und wohl auch etwas Spass - nicht zu kurz.
Video: Zoo Zürich, Nicole Schnyder