OK, mal schaun, ob sich dieser Markenname halten wird: "Lynk & Co" will nicht so richtig von der Zunge rollen, doch seien wir Ehrlich, auch "Volkswagen" oder "Mitsubishi" sind da nicht viel besser. Der Autor denkt mal, dass, sollte der Marke Erfolg beschieden sein, bald eh nur noch von "Lynk" die Rede sein wird, wenn wir in den nächsten Jahren von den Modellen dieser Marke aus dem chinesischen Geely-Konzern sprechen werden.
"01", "02", "03"...
Und das Modell "01" (die nächsten Modelle werden übrigens 02, 03, etc. heissen), das heute vorgestellt wird, hat das Zeug zum Erfolgsmodell in der gegenwärtigen Zeit: Ein Kompakt-SUV mit abfallender Dachlinie (4.50 lang, 1.65 hoch, 1.85 breit), dessen Seitenlinie an einen weichgespülten Evoq erinnert, von der Front ein wenig an ein Porsche Cayenne und hinten klar am eigenständigsten ist, höchstens leichte Lincoln-Assoziationen weckt.
Das Design wirkt jedenfalls klar, harmonisch und es sieht sehr europäisch aus - was es dank der schwedischen Herkunft auch ist. Die C-Säule im Haiflossen-Design, die farbigen Akzentlinien an der Dachlinie und die Luftauslässe hinter den vorderen Kotflügeln verleihen der Karosse eine eigene Note, die bei asiatischen Modellen vielfach vermisst wird.
Bild: Die Kühle Eleganz des Innenraums erinnert schon mehr an Volvo, der kleine Wählhebel in der Mitte auch etwas an BMW.
Alle Antriebsvarianten seien elektrifiziert und da sich der '01' seine Plattform (Compact Modular Architecture 'CMA') mit der neuen, kleinen 40er Modellreihe von Volvo teilt, dürfte da einiges an gleichen Komponenten erwartet werden: Kleine aufgeladene 3- und 4-Zylinder Verbrenner werden demnach tatkräftig von den E-Motoren unterstützt, wobei es Hybride mit und ohne Plug-In geben werde. Doch auch ein rein elektrischer '01' sei in der Pipeline, was sicher eine gute Idee ist.
Doch das wäre alles noch eigentlich kaum der Rede wert und würde auch keine neue Marke rechtfertigen. Was wirklich neu werde, seien Vernetzung, Vertrieb und Service der Autos.
Die Elektronifizierung beginnt logischerweise bei den Assistenzsystemen, die alles bieten, was es derzeit gibt: Autonome Notfallbremsung, Front-Kollisionswarnung, Blind-Spot-Erkennung und Spurhalteassistent sind als Sicherheitsfeatures natürlich an Bord und auch ein adaptiver Tempomat fehlt nicht. Einzig von autonomem Fahren war nicht die Rede. Und die Sicherheit solle - die schwedischen Entwickler lassen grüssen - auf höchstem Niveau liegen. Für Konnektivität sorgen Apple CarPlay, Mirrorlink und Android Auto.
Bild: Und hier noch in dunkelgrau mit etwas normaleren Felgen...
Auch hier ist auf den ersten Blick noch nicht viel Revolutionäres zu entdecken, doch die elektronische Architektur, auf des "01" basiert ist - im Gegensatz zu allen anderen bekannten in der Auto-Industrie - offen, das heisst, die Entwickler von "Lynk & Co" veröffentlichen die API's, die Programmierschnittstellen, so dass es möglich wird, Smartphone-Funktionen viel besser in das tägliche Auto-Fahr-Erlebnis einzubinden, ja sogar die Funktionen des Autos selbst zu verbessern, zu erweitern oder gar neue zu implementieren (wie das Zulassungsrechtlich ist, dürfte aber noch interessant werden). Diese API's sind sozusagen der heilige Gral der elektronischen Integration - deren Freigabe ist wirklich eine Revolution.
Damit dies auch wirklich funktionieren wird, wurde die Connectivity/Infotainment/Telematik-Plattform in Zusammenarbeit mit Microsoft, dem chinesichen Online-Giganten Alibaba und dem schwedischen Netzwerkspezialisten Ericsson entwickelt was die berechtigte Frage ergibt, ob diese offene Plattform auch anderen Autoherstellern zur Verfügung stehen wird.
Digitales Schloss per App teilen
Das Cockpit sieht denn auch danach aus und entspricht mit dem zentralen 10.1" Touschscreen, LCD-Cockpit und den sauberen Linien dem, was in heutigen Oberklassemodellen erwartet werden kann, wobei der "01" ja auf die Mittelklasse zielt. Wie tief die Integration von Smartphones und Cloud-Diensten ist, zeigt das Beispiel des Share-Keys.
Wer sein Auto für eine gewisse Zeit jemandem ausleihen will, kann mit der "Lynk & Co" App ein Digitales Schloss über Handys teilen, mit dem es möglich ist, das Auto zu bestimmten, vom Besitzer definierten Zeiten zu benützen. Wer sein Auto also nur am frühen Nachmittag von eins bis drei jemandem ausleihen will: Kein Problem - alles was nötig ist, ist ein Smartphone.
Bild: Jeder sein eigener Car-Sharer. "Lynk & Co", ermöglicht es, Freunden, Mitarbeitern, wem auch immer, einen Elektronischen Schlüssel mit einer App zu erstellen.
Ebenso radikal ist das Vertriebskonzept. Das "Lynk & Co" will Autos praktisch nur noch übers Internet verkaufen und normale Autohändler eliminieren. Lediglich in Einkaufszentren und Malls werde es noch einige Geschäfte geben. Der Preis sei dabei global der gleiche und sehr wettbewerbsfähig, da auf den normalen Vertrieb verzichtet werde und diese Kosten wegfielen.
Die Autos werden den Käufern zu ihrem Wohnort geliefert und im Falle von Reparaturen und Wartung dort auch abgeholt. Auch Ausstattungslinien würden der Vergangenheit angehören und durch "Sammlungen mit fixem Preis", die durch Mode und Technologie inspiriert seien, ersetzt… was immer das auch bedeutet. Das neue Vertriebskonzept solle dafür sorgen, dass die Preise spürbar unter jenen der Konkurrenzmodelle liege.
Startschuss in China, ab 2018 in Europa
Zudem will 'Lynk & Co" auch neue Besitz-Modelle anbieten. So solle es den "01" auch im Car-Sharing und auf Abonnements-Basis geben, was Dank der elektronischen Plattform extrem einfach zu bewerkstelligen sein sollte. Das Ziel sei, den Autobesitz zu vereinfachen - vom Kauf über den Besitz, die Vernetzung bis zum Unterhalt und Gebrauch.
"Lynk & Co" wird 2017 in China starten und 2018 nach Europa und in die USA kommen und plant innert der nächsten 5 Jahre auf 500'000 Autos pro Jahr zu kommen. Dabei wird sicher auch hilfreich sein, dass die nächsten 4 Modelle bereits fertig entworfen seien und in schneller folge lanciert würden.
Bild: Der "01" (und mutmasslich auch 02 bis 04) basieren auf der Compact Modular Architecture, die auch bei Volvo zum Einsatz kommen wird.
Ob diese neue Marke Erfolg hat, wird vor allem davon abhängen, wie das neue Vertriebskonzept ankommt - dass dabei vor allem jüngere Konsumenten angesprochen werden sollen, ist offensichtlich und es muss sich erweisen, ob Autos wie Handys vertrieben werden können. Doch es ist klar, dass darüber in der Industrie niemand mehr lacht, wie noch vor einem Jahrzehnt. Denn aus den schluddrigen Nachahmern sind - wenn auch in Zusammenarbeit mit Europäern - plötzlich Innovatoren geworden.