Wer haftet für Sturmschäden?
29.01.2018 | 18:50
Die Winterstürme Evi, Burglind und Friederike haben die Schweiz ganz schön durchgerüttelt und zum Teil erhebliche Schäden verursacht. Wie ist die Rechtslage, wenn ein umstürzender Baum das Nachbarhaus beschädigt oder ein herumwirbelnder Ast auf ein parkierendes Auto trifft?
Die strafrechtlichen Konsequenzen einmal ausgeklammert, steht für Hauseigentümer die Werkeigentümer- und die Grundeigentümerhaftung im Vordergrund. Wann ist ein Baum ein Werk?
Es muss unterschieden werden, ob es sich um einen natürlich gewachsenen Baum handelt oder nicht. Natürlich gewachsene Bäume und Waldbäume stellen grundsätzlich kein Werk im gesetzlichen Sinne dar und stehen im Eigentum des Grundeigentümers. Ein Baum kann aber durch die Art seiner Anpflanzung oder infolge künstlicher Veränderung (Zurückschneiden der Äste, Integration in die Gartengestaltung oder spezielle Anordnung in öffentlichen Parks) zu einem kombinierten Werkteil werden. Wurde ein Baum vom Eigentümer oder dessen Vorgängern auf seinem Grundstück gepflanzt, so gilt der Baum in den meisten Fällen als Werk im Sinne von Art. 58 OR.
Baum aus Garten fällt bei Sturm auf Nachbarhaus
Bei einem Baum, der Teil der Gartengestaltung ist und vom Eigentümer gepflegt wird, wird die Werkeigenschaft grundsätzlich bejaht. Dieser Umstand führt aber nicht automatisch zur Haftbarkeit des Baumeigentümers für allfällige Schäden. Zur Verantwortung gezogen wird der Eigentümer nur dann, wenn die Anpflanzung fehlerhaft erfolgte oder ihm mangelhafter Unterhalt vorgeworfen werden kann. Wäre es mittels Augenschein einfach feststellbar gewesen, dass der Baum abgestorben oder krank war, oder hat es der Eigentümer sogar gewusst und nichts unternommen, so hat er für die Schäden aufzukommen. War äusserlich nichts feststellbar und musste nicht mit einem Umstürzen des Baumes gerechnet werden, so wird die Haftung des Eigentümers verneint. In diesem Fall ist der Schaden Folge der Naturgefahr Sturm, für welche der Eigentümer keine Haftung trifft, da das schadenverursachende Ereignis ausserhalb seines Machtbereiches liegt. In diesem Fall müsste die Gebäudeversicherung des Geschädigten für den Elementarschaden aufkommen. Gleich verhält es sich mit Ästen, die auf ein parkiertes Auto fallen. Nur wenn der Eigentümer hätte erkennen können, dass der Baum über morsches Astwerk verfügt, hat er für die Reparatur der Beulen gerade zu stehen.
Umgestürzter Waldbaum
Stürzt ein Baum aus einem Wald auf das Nachbargrundstück, sieht die Sachlage anders aus. Das blosse Belassen eines Naturzustandes (Wald) allein führt zu keiner Verantwortlichkeit aus Grundeigentümerhaftpflicht. In der Bundesgesetzgebung fehlt für den Wald eine generelle Bewirtschaftungspflicht (im Schutzinteresse Dritter). Eine Haftung des Waldeigentümers ist selbst dann ausgeschlossen, wenn er es unterlassen hat, Bäume vorsorglich zu fällen, um allfälligen Folgen von Naturereignissen präventiv zu begegnen. Ohne positive Handlungspflicht kann es zu keiner Unterlassungsleistung kommen. Je nach konkretem Sachverhalt muss der Eigentümer aber bei objektiv erhöhten und erkennbaren Gefahren die Entfernung von einzelnen Bäumen zulassen, wenn ein Nachbar oder Werkeigentümer dies berechtigterweise verlangt.
Artikelfoto: infoticker.ch / as